Defragmentation/red

An audio-architectural exploration of time

by Yumi Kori and Bernhard Gal


Foto: Werner Zellien

Die multimediale Installation Defragmentation/red ist das jüngste Resultat der künstlerischen Zusammenarbeit des österreichischen Komponisten und Klangkünstlers gal (Bernhard Gál) mit der japanischen Architektin Yumi Kori und basiert auf einem gemeinsam seit 1997 entwickelten künstlerischen Konzept zur Kombination von Musik und Architektur.

Ziel ist die Erkundung der Wechselbeziehungen zwischen zeitlichen und räumlichen Konditionen und deren Einfluß auf die menschliche Perzeption und Imagination. Zeitliche und räumliche Zustände werden zu einem reduzierten, statischen und repetitiven Erfahrungskontinuum verwoben. Die künstlerische Kombination von Musik und Architektur eröffnet neue Beziehungsfelder zwischen Zeit und Raum und bietet eine Sinnesreise (nicht nur) für Augen und Ohren, in der die objektive Linearität der Zeitwahrnehmung aufgehoben scheint.

Jede Realisation von Defragmentation ergibt sich aus den räumlichen und akustischen Charakteristiken des jeweiligen Präsentationsortes, die Details (Proportionen, visuelle und klangliche Elemente) werden während der Vorbereitungsphase vor Ort ausgewählt bzw. »nachjustiert«. Die erste Gemeinschaftsarbeit der beiden Künstler wurde im September 1999 unter dem Titel Defragmentation/blue in der Klangkunst-Galerie Studio Five Beekman in New York City präsentiert.

Das Konzept für Defragmentation/red wurde speziell für den Großen Wasserspeicher in Prenzlauer Berg/Berlin entwickelt und besteht aus einer ca. 60minütigen Komposition und Klanginstallation gal's und der räumlich-visuellen Gestaltung Yumi Kori's.

On sound and time
In Defragmentation wird die Möglichkeit untersucht, den perzeptiven Zeitfluß zu modifizieren und somit letztendlich die Linearität der Zeitwahrnehmung in Frage gestellt. Daher ist auch das herkömmliche Konzept der musikalischen Entwicklung aufgegeben worden, um das Phänomen Zeit selbst ins Zentrum zu rücken. Es geht um die Vorstellung eines stationären Klangkontinuums, einer Abfolge von »eingefrorenen« Zeitfenstern, welche die Summe der vorher durchlebten und nun defragmentierten zeitlichen Situationen darstellen. Somit entsteht ein endloses Klangfeld, das aus fragilen, miteinander verwobenen Einzelereignissen besteht, ein fortlaufender und doch statischer Klangfluß, der zur Defragmentierung der Zeit, also zu einer psychoakustischen Verzerrung der herkömmlichen Zeitwahrnehmung führt.

Ein wesentlicher Aspekt meiner kompositorischen Arbeit liegt in der bewussten Ausnutzung psychoakustischer Wahrnehmungsphänomene wie Schwebungen und Verdeckungseffekte und die Anwendung der aus der Psychologie bekannten Gestaltgesetze. Die Musik besteht sowohl aus akustischem als auch aus synthetisierten Klangmaterial und wurde mittels digitalem Sound Processing und verschiedener Computersoftware hergestellt. Das kontinuierliche Verstimmen der Grundtonhöhen führt zu einer Destabilisierung der harmonischen Basis und fügt der ansonsten eher meditativen Atmosphäre einen gewissen "Irritationsfaktor" hinzu. Die Interferenzen zwischen benachbarten Frequenzen (und deren Oktavierungen) bedingen außerdem zahlreiche Modulationseffekte und raumakustische Lokalisationsphä-nomene. Strukturell gesehen basiert das Stück auf der Wiederholung und (teilweise phasenverschobenen) Gegenüberstellung derselben Motivzellen in verschiedensten Kombinationen, jedoch über einen »Feldmanschen« Zeitraum von 60 Minuten ausgedehnt.
gal

Defragmentation erhielt im April 1999 im Rahmen des österreichischen Kompositionswettbewerbes "Max Brand-Preis" eine lobende Erwähnung, eine CD-Version der New Yorker Installation Defragmentation/blue ist am 22. August auf dem deutschen Avantgarde-Label Plate Lunch veröffentlicht worden.

On space and time

I think of time that I create in Defragmentation as cyclic time (= natural time), as opposed to progressive time (= artificial time). It is the kind of time that one spends flying in an air plane or in the desert, in spaces and situations where time is not moving in a linear way, yet it still is moving. This idea is connected to the cycle of life, the repetition of a lifetime. The water reservoir is a perfect space for this concept.

The water flows in the river, but the water is never the same.
from the book Hojoki by Chomei Kamo

The spatial experience of being inside a water reservoir seems infinite because of its cyclic plan. I am going to create an environment where the visitor is invited to explore a defragmented experience of time and space. The personal spatial experience within the water reservoir is disoriented, even though the layout of the space seems geometrically clear from looking at the plan.

In the big space of the water reservoir, I am going to install 10 acrylic columns as an apparatus to measure space and time. Each column is hanging suspended from the ceiling (attached with fish strings). A laser beam or infrared light apparatus is also installed onto the ceiling above each column, serving as a light source. The surface of the acrylic columns is frosted, thus the color of the laser beam is casted within each acrylic column. As a result, the column starts shining like a floating red bar in the darkness. The placement of the columns was decided correspondingly to the geometry of the original plan of the water reservoir. Only one red column can be seen at once in each corridor (of the big water reservoir). As one moves through the corridors, one find the other columns successively, one by one. It is not possible to see all columns within the space at the same time.

You can only live in a segment of time - your lifetime - nonetheless it is part of the whole.

The floor is covered with water (ca. 30 mm), just enough to get a reflection which creates an infinite depth of darkness on the floor. The smell of water provokes the memory of the formerly functional water reservoir. The ghosts of red that are reflected on the water also imply the memory of time.

Yumi Kori

Mit freundlicher Unterstützung der Österreichischen Botschaft in Berlin.

Festredner zu Eröffnung: Volker Strabel

Der Wortlaut der Rede wurde uns mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.

gal (a.k.a. Bernhard Gál)
Wiener Komponist, Klangkünstler und Musikwissenschaftler. Konzerte, Klanginstallationen, Ausstellungen und intermediale Klangkunstprojekte. Zahlreiche künstlerische Zusammenarbeiten zur Verbindung von Musik mit Architektur, Malerei, Tanz, Theater, Video-, Performance- und Objektkunst. CD-Veröffentlichungen: bestimmung new york (1999), Defragmentation /blue (2000).
Kontakt: gal@gmx.at,

Yumi Kori
Japanische Architektin/Künstlerin. Sie leitet das Architekturbüro Studio MYU Architects (Tokio) und unterrichtet an der Columbia University in New York City. Träger zahlreicher Preise und Auszeichnungen. Installationen in Japan, Deutschland und den USA. Der Großteil ihrer Arbeiten wurde in japanischen Architekturzeitschriften veröffentlicht.
Kontakt: yumi@studio-myu.com