Programmübersicht Kryptonale
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Großer Wasserspeicher, ab Freitag, 17.09.2004
WIPP lounge
Interaktive Raum-/Klanginstallation im Großen Wasserspeicher mit dem
Io-Ensemble (Karen Bartram, Christine Meierhofer - Objekte, Henry Mex - Klang,
Iris Sputh - Licht)
und Gästen (Paul Modler (D) - Klang, Davide Monacchi (I) - Soundscapes,
Lynn Pook (F) Klanghängematten)
Wer kennt nicht das Gefühl vom Schaukeln, vom Hinaufschwingen aus eigener
Kraft bis an die Grenze zur Schwerelosigkeit? Mit dem Einsatz unseres Körpergewichts
können wir uns durch die Pendelbewegung in höhere Gefilde schwingen
und bekommen damit für Momente einen anderen Blick auf die Welt.
Das Io-Ensemble, das aus den Mitgliedern der Künstlergruppe Kryptonale
besteht, entwickelt zum Hauptthema der Kryptonale 10 "Energie und Synergie"
einen Beitrag der sich von physikalischen wie metaphysikalischen Klassifizierungen
verschiedener Energieformen inspirieren läßt (kinetische -, potentielle-
und Schwingungsenergie in klar definierten Feldern). Der Große Wasserspeicher
bietet mit seinen Kreisgängen die Möglichkeit Licht- und Klangereignisse
so auszurichten, dass sich die Wahrnehmung dieser innerhalb eines Meters oder
gar weniger Zentimeter drastisch ändert. Daraus entstand die Idee, dem
Publikum mit speziell plazierten Schaukeln die Möglichkeit des bewegten
Verweilens in unterschiedlichen Klangräumen anzubieten: die WIPP-lounge.
Karen Bartram und Christine Meierhofer haben ein Installationskonzept für
Schaukeln entwickelt, dessen Wirkung durch Iris Spuths Lichtgestaltung verstärkt
wird. Hierfür wird ein 26-kanaliges Soundsystem mit sorgfältig gewählten
Positionen der Lautsprecher für Raum und Klanghängematten installiert,
so dass die besondere Architektur des Wasserspeichers und des eigenen Körpers
mit einer akustischen Landschaft ausgestattet wird. Die Besucher können
durch Berge und Täler von Schallwellen wandern oder zwischen unterschiedlichen
Klangfeldern hin- und herschaukeln.
Die Künstlerin Lynn Pook stellt mit ihrer Installation Raplapla (Klanghängematten)
dem großen "äußeren Klangraum" des Wasserspeichers
den "inneren Klangraum" des eigenen Körpers entgegen.
Für diese Rauminstallationen der WIPP-lounge werden die Komponisten Henry Mex, Paul Modler (D) und David Monacchi spezielle Situationen bzw. Raumkompositionen schaffen. Die Klanghängematten bringen akustische Signale direkt an den Körper und die Schaukelobjekte nutzten Körperenergie, um akustische und visuelle Räume zu entfalten. Die Besucher können einerseits stehende Wellen durchwandern, Impulse und Frequenzen hautnah spüren und zum anderen aus eigener Kraft in Bildern versinken.
Raplapla
Lynn Pook (F) Klanghängematten
Raplapla ist ein französischer Begriff aus der Umgangssprache, der sich
auf die Adjektive platt und flach bezieht und den Zustand der Erschöpfung
bezeichnet. Diese Klanginstallation bietet eine ungewöhnliche Erfahrung
von Klangwahrnehmung. Der Besucher ist eingeladen, sich in eine Körperschallhängematte
zu legen, um am ganzen Körper von Klängen bespielt zu werden.
In den Hängematten sind vierzehn Kontaktlautsprecher eingenäht,
die beim Hinlegen unterschiedliche Körperteile berühren. So werden
die Vibrationen der Lautsprecher spürbar und der Klang wird über
die Knochenleitung zum inneren Ohr übertragen. Unser intimster Raum wird
zum Resonanzkörper und zur sich wandelnden Klangskulptur.
In unserem Gehör verbindet sich dieser innere Klangraum mit den Klängen,
die den Wasserspeicher beschallen. Im Gegensatz zum passiven Empfangen und
Empfinden von Klangräumen in den Hängematten bietet der architektonische
Körper des Wasserspeichers einen Raum, in dem der Besucher dazu aufgefordert
wird, seinen Standpunkt zu ändern, um sein eigenes Klangbild zu erschließen.
In ihren ortsspezifischen Kompositionen für Wasserspeicher und Klanghängematten
werden Henry Mex, Paul Modler (D), Davide Monacchi (I) diese zwei diametral
unterschiedlichen Klangräume konfrontieren und verbinden.
Dank an Niklas Roy.
Echoes of a Sonic Habitat
Davide Monacchi (I)
Die Klanginstallation, die ich zur Kryptonale 2004 vorstelle, setzt sich aus
Ergebnissen meiner Klangforschungen die in den echo-akustischen Zusammenhang
des Raumes gestellt werden und der daraus resultierenden akustischen Wechselwirkung
zusammen. Das Ziel ist eine zu den gegebenen Besonderheiten komplexe Partitur
des Raumes zu schaffen.
Die Gesamtheit des Großen Wasserspeichers von Berlin stellt ungewöhnliche,
verschiedene akustische Eigenschaften zu gleicher Zeit vor: ein architektonischer
Raum, eine große Zisterne, mit konzentrischen Wannen in denen Töne
mit variablen Dauern von durchschnittlich 12-18 Sekunden widerhallen und einige
Frequenzen sogar bis zu 30 Sekunden nachklingen. Diese Eigenschaften des Raumes
stecken einen akustischen Mikrokosmos ab, der es ermöglicht, nur betrachtend
zu interagieren und in die kompositorische Planung die Begriffe von Überlegung,
Verbreitung und Absorption klingender Energie zu integrieren. Die Reproduktion
von traditioneller Musik in einem Milieu diesen Types wäre wegen der
zeitlichen Überlagerung der harmonischen und melodischen Inhalte undenkbar,
die korrekte Wahrnehmung der zeitlichen Abtastung unmöglich. An einer
Installation in solchem Zusammenhang zu arbeiten, bedeutet unvermeidbar die
klingende Sprache des Platzes zu organisieren.
In den Urwäldern des brasilianischen Amazonas und in Kanada wurde für
die Darstellung des Soundambientes in drei Dimensionen, Klangmaterial mit
experimenteller Mikrophonierung aufgenommen und wird nun in einem neuem Raum
mit eigener Resonanz gebracht und damit die akustischen Personalbeschreibungen
geändert. Es sind tropische Insekten in Klanglandschaften zu hören,
das Habitat des Urwaldes in verschiedenen Phasen und Zyklen der Circaden,
Amphibien und Vögel sowie Klänge mit natürlichen Elementen
arrangiert in punktueller Anordnung. Die Thematik des Elementes "Wasser"
wird selbstverständlich auf symbolische und konkrete Weise einfließen.
Die Reproduktion der Stimmen erfolgt multitraccia mit 26 auf die im Inneren
der vier Wannen der Zisterne verstreuten Lautsprecher.
Zeustest
Henry Mex (D)
Doppelraumkomposition für 12 Raum- und 14 Körperlautsprecher.
Die Erfindung des Klanganzuges von Lynn Pook stellte für mich eine völlig
neue Erfahrung in der Wahrnehmung von Klang und Musik dar. Mein Wunsch als
Raummusikkomponist für dieses Rauminstrument zu schreiben, war schnell
geboren. Für eine Präsentation zur Kryptonale war für mich
die Idee zwingend, dieses Instrument mit einer Raum-Klanginstallation des
Wasserspeichers zu kombinieren. Die Weiterentwicklung des Klanganzuges zur
Klanghängematte und deren Einbindung in eine vielkanalige Raumkomposition
für den Großen Wasserspeicher ist für uns drei Komponisten
ein Experiment und eine große Herausforderung, bewegen wir uns doch
hiermit auf völligem Neuland.
Für meine Komposition Zeustest" benutze ich akustische Gleichnisse
für das Fließen von Energie, stetig und als Impuls sowie stehend
(potenzielle Energie). Diese Energie nimmt Richtung an, fließt durch
den Raum in den Körper des Individuums, lädt es auf bis es wiederum
zur Entladung kommt. Diese Kraft wird quasi gebündelt in den Raum zurückgeschossen
und lässt ihn räsonieren. Entsteht dabei ein Gefühl wie es
Zeus vielleicht gehabt haben möge?
Da die Besucher dieser Installation nicht nur in den Klanghängematten
liegen werden (können), sondern auch umherwandern oder einer der Schaukeln
benutzen, stellt sich die zwingende Frage: funktioniert eine Komposition,
wenn man nur einen Bruchteil der Spieler hört? Ich denke, es ist wie
im normalen Leben, man hat nur einen sehr begrenzten individuellen Blick auf
das Ganze. Je mehr man sich bewegt desto mehr nimmt man von den verschiedenen
Ansichten der Menschen wahr. Und vielleicht erreicht man ja auch mal einen
Moment oder einen Ort, an dem man meint, jetzt ist ein großer Blick
auf alles da.
Haut (10:00 min)
Paul Modler (D)
Haut stellt sich als Thema die Durchdringung, das von Aussen nach Innen Gehende
und von Innen nach Aussen Gehende. Die Haut steht einerseits für das
Abgrenzen des Körpers von seiner Umgebung, aber auch genauso für
die Durchlässigkeit und die Ermöglichung des Austauschs.
Karen Bartram
geb. 1962 in Neumünster/Schleswig-Holstein. 1984-89 Studium Visuelle
Kommunikation an der Hochschule der Künste Berlin, 1989 Diplom, 1991
Meisterschülerin, 1. Preis "Kunst als Antithese" Karl-Hofer-Symposion,
HdK Berlin. seit 1992 freischaffende Künstlerin in Berlin, 1992-95 gemeinsame
künstlerische Arbeiten zur Architektur mit Stefan Heinrich Ebner, 1992-95
regelmäßige Arbeitsaufenthalte und Projekte in Basel und Amsterdam,
seit 1995 Raumkonzepte und interdisziplinäre Projekte in Kooperation
mit Architektur, Musik, Tanz und Klangkunst. verschiedene Ausstellungen, Installationen
Bühnenbilder und Veröffentlichungen (u. a. Berliner Dom, Parochialkirche).
Seit 1997 Mitglied der Künstlergruppe KrypTonale und Mitveranstalterin
des gleichnamigen interdisziplinären Festivals für architekturbezogene
Künste, Berlin Prenzlauer Berg.
Christine Meierhofer lebt in Berlin und arbeitet
seit ca. 1992 an ihren künstlerischen Projekten. Ihre interaktiven Installationen
und Rauminterventionen hat sie in zahlreichen internationalen Ausstellungen
gezeigt. Sie hat in Wien an der Hochschule f. angewandte Kunst studiert und
danach in New York gelebt und gearbeitet.
Mit HILUS - intermediale Projektforschung, Wien, Shift e.V., Berlin und nun
Kryptonale e.V, Berlin, hat sie diverse Ausstellungen und Festivals konzipiert
und durchgeführt.
www.christinemeierhofer.de
Henry Mex. Musikstudium:
HfM Berlin; aktuelle eigene Ensembles und Projekte: STAFF, IO, Slices, Techester,
Zeitschneider; seit 1992 KRYPTONALE (Initiator und künstlerische Leitung);
Zahlreiche Zusammenarbeiten und Konzerte mit Musikern der Neuen und Improvisierten
Musik, DJs und Orchestren in Deutschland, Frankreich und England; sowie
mit Tänzern und Bildenden Künstlern; Stummfilmbegleitungen, Kompositionen
für verschiedene Besetzungen (Solo bis Orchester) für Film, Tanz
u.a., Klanginstallationen AdK Berlin, Postfuhramt Berlin, Wasserspeicher Berlin;
Hauptinteressen sind Raumkompositionen und intermediale Projekte. Infos unter
www.henry-mex.de
Paul Modler, Diplom-Ingenieur
in Maschinenbau und Studium Jazz-Klavier; arbeitete im Bereich von Computeranwendungen
für Musik; veröffentlichte Beiträge über interaktive Computer-Musiksysteme
für Internationale Konferenzen, Zeitschriften und Bücher; arbeitete
für die TU-Berlin, das Staatliche Institut für Musikforschung Berlin
und für das Department of Music der University of York in England; leitet
z.Z. das elektronische Studio für Ton und Sounddesign an der Hochschule
für Gestaltung in Karlsruhe; zahlreiche elektroakustische Kompositionen
und als Musiker Zusammenarbeit mit Künstlern aus verschiedenen Genres,
u.a. Michael Saup, Ulrike Gabriel, Christoph Schlingensief, Knut Gerwers,
Henry Mex, Tony Myatt; John Richards; Hauptinteressen sind interaktive Musiksysteme,
neuronale Netze zur Gestenerkennung und Mehrkanalaudioverfahren sowie das
Spannungsfeld zwischen Geräusch und Musik und der Einfluß elekronischer
Instrumente in Live-Performances.
David Monacchi Sound designer, composer and
researcher of sound recording and acoustic ecology. The specifics of his research
come from the field recording of natural sonic environments all over the world,
which, after laboratory electro-acoustic analysis and composition, become
concerts and multimedia installations. Of particular interest is the work
concerning the acoustic habitats of the tropical old-growth forests, as it
regards the compositional approach, sound recording and sound spatialization
techniques.
His research activity and compositions have been broadcasted on several radio
programs such as Italian National Radio2 and Rai International, and on TV
programs such as the National Italian Television RAI 3 program "Fuori
Orario".
Lynn Pia Pook (Jahrgang
1975, Frankreich) lebt und arbeitet in Berlin und Karlsruhe als freischaffende
Künstlerin. Sie studierte Arts Plastiques in Strasbourg und Paris und
anschließend Bildhauerei in der Kunsthochschule Berlin-Weißensee
(1998-2003). Parallel zum Studium, gründete sie 1999 in Berlin mit Puppenspielern
und Medienkünstlern die freie Gruppe für visuelles Theater Tram-Theater.
Zur Zeit, ist Sie Aufbaustudentin an der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe
und beschäftigt sich schwerwiegend mit Klang und Raum. Der Mensch, als
agierender und empfindender Körper steht im Zentrum ihrer Arbeit. Seit
2001, beteiligte sich Lynn Pook an verschiedenen Gruppenaustellungen und Projekten
im öffendlichen Raum. Ihre Installation À fleur de peau:
Klanginstallation für einen Körper wurde auf diversen Festivals
gezeigt (z. B. Transmediale 04). Diese Klanginstallation wurde beim internationalen
Medienkunstpreis vom ZKM/SWR nominiert.
Iris Sputh, Regie/ Choreografie. Iris
Sputh studierte an der Palucca Schule in Dresden und war Tänzerin an
der Semperoper. Seit 1989 ist sie freischaffende Tänzerin und Choreografin.
Zahlreiche Choreografien am Staatsschauspiel Dresden, über fünf
Jahre regelmäßige Zusammenarbeit mit bildenden Künstlerinnen
der Dresdener Sezession. 1993 Gründung des ExisTanzTeam. 1995-98 Solistin
bei Arila Siegert am Anhaltischen Theater in Dessau. Stipendium der Akademie
der Künste Berlin / Brandenburg für Regie/ Choreografie. Seit mehreren
Jahren Mitwirkung als Tänzerin und Choreografin bei der Langen Nacht
der elektronischen Klänge in Berlin. Seit 2000 Mitglied der Künstlergruppe
Kryptonale. Arbeiten als Schauspielerin am Liz- Theater Berlin. Regieaufträge
an der Musikakademie Rheinsberg. Choreografien für Musiktheater und Schauspiel.