Ya
Está! beleuchtet Spannungen, die beim Aufeinanderprallen von sehr heterogenem
musikalischen Material entstehen können. Stilelemente von Salsa, Hip
Hop, Techno, Jazz, Zirkusmusik und anderem werden miteinander auf unterschiedlichste
Weise konfrontiert. Es geht weniger um ein "Alles-geht"-Gefühl
als um die Ausdrucksmomente, die aus den Schnittstellen oder auch nahtlosen
Überleitungen hervorgehen. Von einem nackten Bruch zwischen zwei musikalischen
Welten bis zu einer kompletten "Verkittung" derselben, einer scheinbar
organischen Kontinuität, habe ich versucht, Abschattierungen zu finden,
ihren Sinn zu erspüren und zu verfolgen. Die Musik mit einer anderen
Musik abzuwürgen kann beispielsweise genauso sehr eine gewalttätige
oder verstörende Wirkung haben, wie sie einen spektakulären Zirkuseffekt
zu erzeugen vermag, dessen Absurdität einen zum Lachen bringt. Mein Fokus
liegt dabei besonders auf zwiespältigen Momenten, in denen der Hörer
verunsichert zwischen den Empfindungen schwankt. Ich verstehe meinen eigenen
(musikalischen!) Spaß daran als eine Art Befreiungsschlag, eine Flucht
nach vorne, in der ich wiederholt einen Schritt überspringe, bis sich
ein fragiler Schwebezustand einstellt.
Bei diesem Stück war mir wichtig, dass es sehr transparent bleibt, im
wesentlichen einstimmig, damit das Spiel mit der Collage-Technik in seiner
Nacktheit überhaupt erfahrbar wird und sich nicht in reiner kompositorischer
Raffinesse auflöst. Zur Verständlichkeit meiner vorigen Anmerkungen
sei gesagt, dass ich diese Technik nie nach rein abstrakten bzw. mathematischen
Prinzipien einsetze, sondern jeden Schnitt oder Bruch vorher höre und
körperlich spüre. Manchmal hat das etwas von einem Selbstversuch,
in dem ich mich dazu auffordere, intuitiven und spontanen Einfällen nachzuspüren,
auch wenn das Stück dabei riskiert auseinanderzufallen. So franst Ya
Está! nach verschiedenen Seiten hin aus und versucht trotzdem noch,
sich als "eins" zu verstehen. (In diesem Punkt kann ich mich mit
meinem Stück identifizieren.) Daraus ergibt sich, dass ich auch das Scheitern
der Unternehmung mit einbeziehen und gegebenenfalls "mit der Brechstange"
vorgehen muss. Wenn im Schlussteil des Stückes die "gerade"
4/4-Bassdrum einsetzt und dann rhythmisch "verbogen" wird, ist das
für mich eine solche "Brechstange", eine Rettung mit Gewalt...
Paul Friedrich Frick wurde 1979 in Berlin geboren. Erster Klavierunterricht mit sieben Jahren. Ab 1991 Kompositionsunterricht bei Il-Ryun Chung. 2000 bis 2006 Kompositionsstudium bei Friedrich Goldmann an der Universität der Künste Berlin, von 2006 bis 2008 dort Meisterschüler. Sein Werk besteht überwiegend aus Kammermusik, Theater- und Hörspielmusik (Deutschlandradio Kultur) sowie zwei Orchesterstücken und einer Kurzoper („KO4“-Projekt der Komischen Oper Berlin). Er ist Mitgründer der Konzertreihe Klangnetz und des Europäischen Künstlernetzwerks Strohlinka. Paul Friedrich Frick ist zudem als Pianist/Keyboarder und als Produzent elektronischer Tanzmusik tätig. Seine Stücke wurden international aufgeführt unter anderem vom Concertgebouw Orchester Amsterdam, dem Ensemble adapter, dem Ensemble Est!Est!!Est!!!, dem Ensemble Kaleidoskop und dem Ensemble Kwartludium. Er hat elektronische Tanzmusik auf den Labels Kalk Pets, Konsensrecords, The Gym, My Best Friend, Klamauk und 30porumalinha veröffentlicht sowie – mit seinem akustischen Techno-Projekt „Brandt Brauer Frick“ - auf Tartelet Records. Im Jahr 2009 bekam er ein NaFöG-Stipendium des Landes Berlin.